Du betrachtest gerade

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Lange habe ich geschlafen. Und als ich aufwachte, war mein Gesicht mit Tränen benetzt.
Verwundert schaue ich dir in die Augen. Und öffne mein Herz dem Grün.
Du bist wieder da, flüsterst du vorsichtig. Als wolltest du mich nicht verschrecken.
Was ist geschehen?
Ich denke nach. Versuche mich zu erinnern … doch flackern nur Schemen in meinem Geist auf.

Ruhelos lief ich durch asphaltierte Straßen. Verzweifelt flehte ich zu Gott – ohne zu wissen, ob es ihn gab. Und suchte Zuflucht und Liebe in den Armen der Anderen …
Es war vergeblich. Der Schmerz wurde größer. Die Blindheit der Menschen wuchs. Und mit ihr die Missachtung der Einfachheit des Lebens.
Weshalb hat niemand gesehen, dass die Wege leicht und klar sind, dass es deshalb weder Zweifel noch Fragen geben kann?

Jetzt bin ich wieder hier.
Und das Rauschen des Flusses nimmt die Schemen mit. Wäscht meine Seele rein.
Habe ich mich am Schicksal vergangen?

Plötzlich erinnere ich mich:

Ich breitete meine Flügel aus. Schwarz durchmaßen sie die Nacht. Ich schlug die Schwingen hoch in den Kosmos … und hinab auf die Erde. Der Wind wirbelte alles auf, was in Schwere auf meiner Welt lag. So lange fürchtete ich den Tod. Jetzt erkannte ich, dass ich selbst jener war.

Oh, du nickst. Du weisst es auch. Wusstest es schon immer.

In meiner Erinnerung fege ich mit der schweren Sense über alles, was das ewige Leben verneint und damit die Vergänglichkeit in sich selbst erweckt. Ich beweine die Zerstörung – indes, es geht nicht anders: Die Menschen bauen Mauern auf, doch fehlt ihnen die Fähigkeit, sich selbst und anderen zu vergeben. Und so kann nur ich sie brechen.
Die Nacht war dunkel. Mein Wille endgültig. Der heiße Wind half mir die Verirrungen zu verbrennen, bis nur noch leere Wüste vor mir lag wie eine offene Wunde.

Jetzt sitze ich hier. Die Bäume sind grün. Und Sonne scheint auf meine Haut.
Du nickst mir zu.
Es war Zeit.
Zu lange hast du dein Herz offen getragen und gewartet,
bis die Menschen es sehen.

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I slept for a long time. And when I woke up, my face was wet with tears.
I look into your eyes in wonder. And open my heart to the green.
You’re back, you whisper carefully. As if you didn’t want to frighten me.
What has happened?
I think about it. Try to remember … but only shadows flicker in my mind.

Restlessly, I wandered through asphalt streets. Desperately, I pleaded with God – not knowing whether he existed. And I sought refuge and love in the arms of others …
It was in vain. The pain grew. The blindness of people increased. And with it, their disregard for the simplicity of life.
Why did no one see that the paths are light and clear, that therefore there can be neither doubt nor questions?

Now I am here again.
And the murmur of the river carries the shadows away. Washes my soul clean.
Did I sin against fate?

Suddenly I remember:

I spread my wings. Black, they spanned the night. I flapped them up into the cosmos … and down onto the earth. The wind stirred up everything that weighed heavily on my world. For so long I had feared death. Now I realized – I was death myself.

Oh, you are nodding. You know it too. You have always known.

In my memory I sweep the heavy scythe across everything that denies eternal life. And thus awakens impermanence in itself. I mourn the destruction – and yet, there is no other way: People build walls, but they lack the ability to forgive themselves and others. And so only I can tear them down.
The night was dark. My will was final. The hot wind helped me to burn away the confusion until only empty desert lay before me like an open wound.

Now I sit here. The trees are green. And the sun shines on my skin.
You nod at me.
It was time.
For too long you wore your heart open and waited
for people to see it.

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©️Text und Bild: Li Anna
Artwork: WE FELT A STAR DYING, Laure Prouvost
@kraftwerkofficialberlin