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Tagelang wanderten wir durch Täler der Trauer. Der Wind schnitt kalt in mein Herz und machte es hart. In der Luft lag der metallene Geschmack des Schmerzes und meine Haut brannte, dass ich sie abwerfen wollte…
Wie lange?
Noch bevor ich die Worte ausspreche, wird mir klar: für immer.
Ich will meinen Schritt beschleunigen, doch du hältst mich zurück.
Es gibt nur einen Weg der Heilung…flüsterst du sanft.
Und in diesem Moment ergreift eine Erinnerung meinen Geist, eine Ahnung formt sich in meiner Brust…es ist wie der fahle Schein eines Lichts, das schon immer in mir brannte.
So viele Irrwege. So viel Suchen.
Dabei war die Lösung längst in mir.
Im Angesicht der Wahrheit beginne ich zu wanken. Ich muss mich setzen.
Und während die Schwere der Erde in meine Glieder kriecht, die Raben in den Bäumen schreien, als wollten sie die Unendlichkeit des Himmels mit ihrer Stimme füllen, und die Füchse mit scharfem Blick die Welt entzünden, lege ich die Handflächen auf meine Augen und weine.
Meine innere Führung wurde mir als Gnade geschenkt, als direkter Weg zur Glut der wahren Welt, die mich schützend und warm empfangen wollte. Doch konnte ich den Pfad nicht nehmen. Zu leidvoll war der Gedanke daran die Bilder, die viele Jahre irdischen Lebens in mich gepflanzt hatten, hinter mir zu lassen und allein voranzuschreiten. Die Vertrautheit erschien mir derart irreal, dass sich schwarzer Nebel auf meinen Weg legte und ich ihn verlor.
So viele Umwege, seufzt du leise und streichst beruhigend über meine Wangen. Nimm sie hin.
Du lässt dich neben mich nieder und singst alte Weisen, die mich tiefer in meine Trauer tragen und die Angst in meinem Herzen schwingen lassen.
Es gibt viele Wege. Ich sehe sie alle, doch mein Wesen kennt nur den meinen. Im Labyrinth des Lebens ergießt sich sein Licht sanft in das Chaos meiner alten Strukturen und ruft mich.
Du wirst ihn gehen, sagst du zärtlich.
Doch noch sitze ich am Beginn des Nichts. Ich bin umringt von den vermeintlichen Verpflichtungen des menschlichen Seins, die mahnen, drohen und mich locken. Ich fühle, wie sie in blinder Verzweiflung nach mir greifen.
Was kann ich tun?
Ich sitze.
Lasse deinen Gesang tief in mich eindringen.
Und weine.
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© Text und Bild: Li Anna