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Lange bin ich unter Schmerzen gelaufen. Über harten Asphalt. Die Häuser waren trostlos und grau. Und die Kälte, die in meine Glieder kroch, ließ mich erzittern.
Meine Spuren waren blutgetränkt. Doch je schneller ich lief, desto weniger bewegte sich. Alles, was ich zwanghaft verfolgte, entzog sich meinem Blick. Egal an wen ich mich wandte. Egal, wie oft ich mich ausruhte: Mein Weg blieb beschwerlich.
Denn in Wahrheit war mein Herz von Trauer und Angst ergriffen. Es war hart und verschlossen. Und hielt mich zurück.
Als ich verstand, dass es keine Lösung im Außen geben konnte, hielt ich inne.
Da kamst du endlich an meine Seite.
Jetzt stehen wir gemeinsam inmitten des Wahnsinns der von mir erschaffenen Welt. Tränen rinnen meine Wangen hinab, vermischen sich mit dem Blut meiner Wunden und überfluten alles, was mich umgibt. Ich beobachte das Chaos – gespeist aus Angst, Kontrollwahn und alten Strukturen – das sich vor meinen Augen entfaltet und mit jedem meiner Atemzüge wächst. Ich habe es so lange genährt…
Versuche nicht die zu sein, die du nicht bist. Lass das Versagen und die Einsamkeit an deine Tür klopfen, beende den Kampf gegen dich selbst und überlasse dich der süßen Lethargie, höre ich dich im Rauschen der irdischen Wirbel sagen.
Ich habe keine Kraft mehr zu nicken.
Doch du nimmst meine Hand. Gierig trinke ich deine Wärme. Mir schwindelt. Und ich sinke zu Boden, lege mich müde auf den blutnassen Asphalt, schließe meine Augen und nehme dankbar wahr, dass du dich zu mir setzt. Du umschlingst mich mit deinen Armen und hältst mich.
So wird mir das Morgen einerlei. Kälte und Wärme empfange ich gleichzeitig. Hunger und Fülle sind beides Aspekte meines Seins. Nichts kann ich kontrollieren. Nichts planen. Ich werde nichts mehr hoffen, nichts mehr hinterfragen und mich keiner Facette des Lebens mehr verschließen.
Mein Unvermögen ist Teil meines Vermächtnisses an die Welt! flüstere ich in den Wind.
Ich kann nicht retten, was ich einst verzweifelt in meine Wirren zog.
Es gibt nur eins zu tun: Das Chaos sich selbst zu überlassen. Diesem Moment zu begegnen. Mich in deine Arme zu schmiegen, den Schmerz zu ertragen. Und meine Tränen fließen zu lassen.

© Text und Bild: Li Anna